3.Advent

Die Geschichte vom Engel mit dem zerbrochenen Flügele rzählt nach Christa Spilling-Nöker

Der Engel Samuel hatte einen Unfall. Und das ausgerechnet einen Tag vorder Heiligen Nacht, in der doch alle Engel in Bethlehem gebraucht würden. Samuel sitzt auf einer Wolke und weint leise vor sich hin . Sein Mitengel Raphael nimmt ihn erst einmal in den Arm: „Was ist denn passiert?“, fragt er. Samuel schluchzt. „Ach, ich war gerade im Unsichtbar-Modus unterwegs auf der Erde. Ich wollte eine traurige Frau unter meine Fittiche nehmen. Da kam quer von links plötzlich eines von diesen rasend schnellen fliegenden Ungetümen, denen der Hintern brennt. Du weißt schon… Ich konnte nicht mehr ausweichen, und seitdem tut mein linker Flügel schrecklich weh. Aber das schlimmste ist: Ich kann ihn nicht mehr richtig bewegen. Nur mit Müh und Not und Rückenwind bin ich zurück in den Himmel gekommen. Wie soll ich morgen bloß auf die Erde kommen? Ich werde der einzige Engel sein, der die Geburt des göttlichen Kindes verpasst…“ Dicke Tränen laufen über Samuels Wangen. Raphael wischt sie liebevoll mit dem Ärmel seines Engelgewandes ab. „Lass mich mal sehen…“ Vorsichtig legt er seine Hand auf Samuels Flügel. „Autsch, der scheint gebrochen zu sein… Das wird eine Weile dauern…“ Der Tränenstrom aus Samuels Augen wird wieder dichter. „Was bin ich nur für ein Engel? Meine Stimme wird nicht dabei sein, wenn in der Heiligsten aller Nächte die Engelschöre ihre Melodie in Ohren und Herzen schicken…“ Raphael nimmt ihn in den Arm und wiegt ihn: „Shhhh shhhhhh, wir finden eine Lösung…“ Am nächsten Morgen steht Raphael wieder vor Samuel. „Ich weiß, was wir machen, wart ab. Das Tempo der anderen können wir vielleicht nicht mithalten, aber wir WERDEN zum Stall kommen – gemeinsam...“ Am Heiligen Abend dann sammeln sich alle Engel am vereinbarten Treffpunkt – mit geputzten Heiligenscheinen, gebügelten Gewändern und Geschenken für das Christuskind. Unauffällig schieben sich Samuel und Raphael in die hinterste Reihe. „Komm“, flüstert Raphael, „lege deinen linken gebrochenen Flügel auf meinen rechten, ich stütze dich. Mitvereinten Kräften wird es gehen.“ So starten die beiden. Unterwegs schreit Samuel vor Schmerz immer wieder leise auf, aber zu guter Letzt kommen auch sie über dem Stall von Bethlehem an – wenn auch leicht verspätet. Unauffällig stellen sie sich in die letzte Reihe und stimmen in den Chor ein. „Ehre sei Gott in der Höhe“… Als der Gesang geendet hat, erheben sich alle und umschweben das Jesuskind. Alle „himmlischen Heerscharen“ erleuchten mit ihrem Glanz den Stall. „Was bringst du mir?“, fragt das Kind in der Krippe jeden einzelnen Engel. Die Engel antworten: „Wir bringen dir unsere Freude, unseren Gesang und unsere Hoffnung, dass auf der Erde endlich Frieden wird.“ Das himmlische Kind nickt und schweigt. Ganz zuletzt treten verlegen Samuel und Raphael vor. „Was bringt ihr mit?“, fragt das himmlische Kind auch sie. Samuel schaut zu Boden. „Ich komme mit einem gebrochenen Flügel“, flüstert er. „Ich habe nichts anderes, was ich bringen könnte. Nur meine Schwäche und meine Schmerzen.“ Bei diesen Worten stehen ihm Tränen in den Augen, er schämt sich so schrecklich: Nichts hat er dabei, womit er das Kind glücklich machen könnte. „Und du?“, fragt das Kind Raphael. Auch der blickt zu Boden: „Ich bringe dir nichts als die Liebe und die Kraft, mit der ich Samuel gestützt habe.“ Eine Weile ist es still im Stall, alle warten gespannt. Samuel und  Raphael zittern am ganzen Körper. Was haben sie sich nur herausgenommen? Da antwortet das himmlische Kind: „Ihr beiden habt mir die größten Geschenke von allen gebracht. Du, Samuel, hast dich mir in all deiner Schwäche, in deinem Leiden und deinen Schmerzen offenbart. Was für ein Vertrauen hast du mir geschenkt! Dazu bin ich in die Welt gekommen: Wer auch immer traurig, bedrückt oder voller Angst und Sorge ist, darf zu mir kommen, damit ich sein Leid in mein Herz nehmen und heilen kann. Ich danke dir für das Geschenk deines Vertrauens und nehme es mit großer Freude an.“ Samuel hebt die Augen, er weiß gar nicht, wie ihm geschieht. Mit einem Mal spürt er eine neue,unbändige Kraft in seinem gebrochenen Flügel, die Schmerzen sind verschwunden. Mit grenzenlosem Jubel schwingt er sich in die Lüfte und umkreist den Stall. Raphael hat der ganzen Szene erstaunt zugesehen, aufgeregt tritt er von einem Bein auf das andere. „Raphael, auch dir danke ich für dein Geschenk“, sagt das göttliche Kind. „Du hast gelebt, wofür ich die Menschen in ihrem Herzen empfindsam machen möchte: Wo auch immer Betrübnis und Leid herrschen, möge jeder einzelne versuchen, es zu lindern. Was du getan hast, das möchte ich den Menschen ins Herz schreiben: Dass sie Schwache stützen und unter die Flügel greifen, damit jede und jeder an das Ziel seines Lebens kommt.“ Das Jesuskind lächelt, und Raphael, Samuel und allen Engeln wird warm ums Herz…

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